Mittel- und Südamerika

   
 

 Die lateinamerikanische Stadt

 
     

1.

Verbreitung und geschichtlicher Ursprung der lateinamerikanischen Stadt
 

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Süd-/Mittelamerika; Unterscheidung von spanischer und portugiesischer Stadt. Verbreitung der Typen bestimmt durch den Vertrag von Tordesillas (1494):
In präkolumbianischer Zeit bereits Städte der Inkas und Mayas vorhanden; Städte als Zentren sind Kennzeichen von Hochkulturen
Spanier und Portugiesen kamen nicht als Kolonialisten, sondern als Eroberer -> keine funktionalen Städtenetzwerke
Städtegründungen der Spanier auf zuvor nivellierten Zentren der indianischen Hochkulturen (Machtdemonstration); Portugiesen sahen Städte als Handelszentren und Stützpunkte auf dem Weg nach Ostindien -> Küsten- und Hafenstädte.
Die "Hochzeit" der kolonialzeitlichen Stadtgründungen dauerte von 1520/30 - 1570/80
Nach der Stadtgründung erfolgte zunächst keine Land-Stadt-Wanderung, höchstens eine Migration von agrarisch zu bergbaulich geprägten Räumen.
Bis ca. 1820 war die Verteilung der größten Städte an den Bergbau gebunden
Ab dem 2 Weltkrieg setzte die eigentliche "Stadtexplosion" ein, hervorgerufen durch eine starke Binnenwanderung und eine neue Industrialisierungsphase ab 1960. Bevorzugtes Ziel waren und sind die Hauptstädte, in denen es zu Suburbanisierungsprozessen und zur Bildung von favelas kommt. Mittlerweile beträgt die Verstädterung in Lateinamerika 71,5 % (BÄHR/MERTINS)
Das aus der Kolonisation resultierende fehlende Städtenetzwerk führte zur sog. "Primatstadt": eine Stadt (meistens die Hauptstadt) übertrifft alle anderen Städte des jeweiligen Landes weit an Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft (z.B. Mexico City etc.)
Der zentral-periphere Gradient der lat. Stadt (s. Kap. 2) ist seit dem 2. WK (u.a. durch die verstärkte Suburbanisierung und Binnenwanderung) im Umbruch: Der "Reichtum" und die Oberschicht wurden durch den Dienstleistungssektor in einzelne Quartiere an den Stadtrand verdrängt; andererseits liegen am Stadtrand auch die favelas.
 

2.

Grundstrukturen der spanischen Kolonialstadt
 

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Dominierend in lateinamerikanischen Städten ist der damero de ajedrez, der Schachbrettgrundriss: um einen zentralen Platz (plaza major), der ein quadratisches Straßenviereck mit ca. 80-125 m Kantenlänge darstellt, schließen sich nach außen ebensolche Hausblöcke an:
 


 

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Dieser Schachbrettgrundriss fußt auf spanischen Vorbildern, z.B. das Feldlager von Santa Fé bei Granada, welches durch die Vertreibung der Mauren 1492 besondere Popularität erlangt hatte. Weitere Gründe waren urbanistische Theorien der italienischen Renaissance, die auf griechisch-römische Vorbilder baute (Vitruvius Pollio), sowie der damals herrschende "esprit géométrique": das Schachbrettmuster als einfacher, rationaler, für Erweiterungen offener Stadtgrundriss.
Abweichungen von dieser Idealstadt resultierten aus unterschiedlicher Lage und Funktion (z.B. Hafenstädte etc.), der Übernahme von trapezförmigen Grundrissen der indianischen Städte und verschiedenen Gründungsphasen oder anderen natürlichen Gegebenheiten, z.B.:
 

 

 

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Innerhalb der Städte zeichnet sich ein zentral-peripherer Gradient ab: Die wichtigsten Repräsenta-tionsgebäude liegen direkt an der plaza major (Rathaus, Gericht, Hospital, Regierungsgebäude, Kathedrale, Schule etc.). Anschließend folgten die Häuser der Oberschicht, dann der Mittelschicht usw. Dieser Gradient äußert sich auch in der Hausgröße und der Bausubstanz.

 

3.

Cubanische Städte (vgl. Cuba: Stadtgeographie La Habana)
 



In Cuba finden sich zahlreiche signifikante Unterschiede zu diesem idealtypische Modell der Stadt sowie der Stadt-Land-Verteilung:
- Die Primatstellung der Hauptstadt Havanna konnte   durch gezielte raumplanerische   Maßnahmen abgemildert werden - die   Dezentralisierung wird in Cuba als   grundsätzliches, umfassendes, normativ-gesellschaftliches Konzept angesehen:   zum einen wurden "in der Provinz" an ausgewählten Wachstumspolen   Industriegründungen  forciert (z.B. Santa Clara, Cienfuegos), sowie agropolitane Zentren   ausgebaut, zum anderen die Attraktivität Havannas durch die bewusste   Vernachlässigung der Bausubstanz abgeschwächt.
- Havanna ist somit die einzige Metropole Lateinamerikas, deren Anteil an der   Landesbevölkerung nach dem 2. Weltkrieg abgenommen (1953-88) hat.

 

Weitere Modifikationen des Stadtgrundrisses entstanden durch den Einfluss des Sozialismus:
- Der geplante Ausbau der Wohnfläche definierte sich nicht über den Bodenpreis, daher   erfolgte auch keine Funktionstrennung (Ring-Modell etc.) wie in marktwirtschaftlich   orientierten Ländern.
- Zentrale Stadtbereiche wurden unter sozialistischen Gesichtspunkten gestaltet und   übernahmen Propagandafunktionen: Öffentliche Kulturpaläste, Magistralen für   Aufmärsche, Versammlungs- und Kundgebungsplätze etc.
- Die typisch sozialistischen Plattenbauten hielten auch in Cuba Einzug, während die   marode Bausubstanz in den Stadtkernen als persistente Strukturen überdauerten.




 

 

 

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