Europa

   
 

 Ungarn - Landwirtschaft

 
   

1.

Sozialistische Agrarentwicklung
 

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Bis 1945 vorherrschender Großgrundbesitz wird zw. 1945-7 in eine kleinteilige Eigentumsstruktur übergeführt und an die Bevölkerung verteilt
Ab 1948 Ziel: Aufbau landwirtschaftlicher Großbetriebe -> 1961 80% der lwNfl. In LPGs umgewandelt, 15% von parallel entwickelten Staatsgütern bewirtschaftet
Anschließender Konzentrationsprozess der LPGs und Staatsgüter in den 70er Jahren abge-schlossen -> durchschnittliche Betriebsgröße im genossenschaftl. Sektor bei 4200 ha, im staatl. Sektor bei 7600 ha. Privatsektor: nebenberufliche Kleinstbetriebe, die das von den Großbetrieben zur privaten Bewirtschaftung freigegebene Land durch LPG-Mitglieder, Angestellten der Staatsbe-triebe und nicht in der LW Beschäftigten bewirtschafteten, Größe: < 1 ha (gesetzlich). Ebenfalls vorhanden: Haupterwerbsbetriebe mit < 30 ha lwNfl., konzentriert in lw. Ungunstgebieten und Re-gionen mit arbeitsintensiven Kulturen (Wein, Obst)
Hauptziele der Kollektivierung: Autarkie der Nahrungsmittelversorgung und Exportorientierung. Ertrags- und Qualitätssteigerung nötig -> Modernisierung und Industrialisierung der LW zu agroin-dustriellen Komplexen mit starker vertikaler und horizontaler Integration
80er Jahre: Pro-Kopf-Fleischproduktion auf EG-Niveau, Pro-Kopf-Weizenproduktion an dritter Stelle weltweit (hinter Australien & Kanada); 25-30% Export, darunter 1/3 in Devisenländer

=> sozialistisches Erfolgsmodell
 
Erfolgsfaktoren:

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politische Aufwertung des Agrarsektors nach dem Volksaufstand -> hohe Investitio-nen (10-20% der Bruttoinvestitionen)
Sukzessiver Rückbau des zentralen planwirtschaftlichen Lenkungssystems seit 1968 -> selbstständige Entscheidung der Großbetriebe über Produktionsstruktur, Investiti-onsverwendung etc., Erfolgsbeteiligungen an Mitglieder rentabler Betriebe => Markt-orientierung und Anreizsysteme haben typische Motivations- und Leistungsdefizite er-heblich reduziert
Einbindung der Kleinstbetriebe in die Marktproduktion -> Übernahme der arbeitsin-tensiven Schritte und dafür Bezug wichtiger Betriebsmittel von Großbetrieben (Futter, Saatgut etc.) -> vertikale Integration
Erlaubnis der Nebenbetriebstätigkeit für lw. Großbetriebe (landwirtschaftsnah, z.B. Futtermittel, Konservenherstellung; landwirtschaftsfern, z.B. Maschinenbau, Chemi-sche Industrie) => zusätzliche Einnahmen zur Reinvestition

 

2.

Wende und Probleme der 80er Jahre
 

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Wachsende Staatsverschuldung -> Reduktion der Agrarsubventionen seit Mitte der 80er, Erhöhung der Betriebsmittelkosten, Rückgang der Weltmarktpreise für wichtige ungarische Exportgüter (Weizen etc.) => Gewinneinbrüche, die nicht durch Nebentätigkeit (s.o.) aufgefangen werden können, da seit Anfang der 80er auch II. Sektor Nebenbetriebe führen kann -> Wettbewerb!
=> wirtschaftliche Situation im Agrarsektor deutlich verschlechtert, Stagnation bzw. Reduktion der Produktion und Viehhaltung, für die Liquiditätsprobleme aufgebrauchte Betriebsreserven führen zur sukzessiven Reduktion der Betriebsmittel (Dünger, Pestizide etc.) und Investitionen in den Maschinenbestand => Produktionsrückgang, erhebliche Verluste
Marktwirtschaftlicher Umbau der LW mit den Zielen Effizienzsteigerung, Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Herstellung der EU-Kompatibilität. Maßnahmen: Dekollektivierung und Privatisierung, Wiederherstellung des freien Grundstückverkehrs; Entschädigung der Enteignungs- und Kollektivierungsopfer
Reformkommunistische Regierung (1988-90): keine vollständige Auflösung der Großbetriebe konservative Regierung (1990-94): Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs (20-50 ha). Maßgebliche Gesetze zur Entschädigung, Restrukturierung und Bodengesetz. -> systematische Benachteiligung der Großbetriebe. Diese Grundlage konnte von den neutraleren nachfolgenden Regierungen nicht mehr grundsätzlich verändert werden.
Entschädigung statt Landrückgabe: Gutscheine, mit denen bei Bodenauktionen Land ersteigert werden kann
Probleme: hoch fragmentierte Eigentumsstruktur durch Auktionen; wenige lw. Betriebe <=> viele Landeigentümer ohne Interesse an Eigenbewirtschaftung -> Verpachtung -> Kapitalabfluss aus der LW, Spekulation, Übernachfrage nach Boden -> Landzersplitterung (v.a. Balaton, Budapest)
Aufteilung des LPG-Landes und -Betriebsvermögen an Mitarbeiter (abh. von Mitgliedschaftsdauer und Gehaltsstufe); Privateigentum der LPG-Mitglieder muss an diese zurückgegeben werden
Staatsgüter: kleinere in Auktionen versteigert, größere gezielt zum Verkauf ausgeschrieben, für die erfolgreichsten nur Teilprivatisierung, außerdem Bodenfonds zur Entschädigung
Bodengesetz 1994: Eigentum an land- und forstwirtschaftlichen Flächen nur ungarischen Staatsbürgern erlaubt, Obergrenze 300 ha (vor dem Gesetz Übergang in ausl. Privateigentum, v.a. in Westungarn -> Angst vor Ausverkauf des ung. Bodens), Pacht aber für alle erlaubt => Flächenvergrößerung heute nur auf dem Pachtweg erlaubt; Dauer: 3 Jahre -> Beeinträchtigung der Planungssicherheit der Pächter

 

3.

Folgen der Transformation für die ungarische LW
 

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Schnelle Reorganisation der Rechtsformen: 1990 20% privat, heute 60%; Nachfolgebetriebe der Staatsgüter heute meist als AG, LPGs heute als freie Genossenschaften, GmbHs und KGs
Wenige private Neugründungen (Privatlandwirte), da Flächenausstattung als Startbasis viel zu klein war (s.o.) . Kapitalknappheit und hohe Zinsen -> Pacht und Bodenkauf heute für die meisten Familien ebenso unmöglich wie der Erwerb von Maschinen
Außerdem fehlende umfassende Betriebskenntnisse bei den spezialisierten LPG-Angestellten, hohe Unsicherheit in der Selbstständigkeit, Verlust geregelter Arbeitszeiten und sozialer Leistungen; darüber hinaus grundsätzliche Akzeptanz von Großbetrieben in der lw. Bevölkerung
Anteil der Privatlandwirte höher in Spezialkultur-Gebieten (arbeitsintensiv, aber flächenunintensiv), an der Grenze zu Österreich (Nähe zu Absatzmärkten).
Abnahme der Privatlandwirte bei wirtschaftlicher Erholung erwartet: Gründung für viele nur als eine Art kurzfristiger Überlebensstrategie
Duale Betriebsgrößenstruktur: Unternehmen: Großbetriebe, Privatlandwirte: Klein- und Kleinstbetriebe. LwNfl. wird mehrheitlich von Betriebsgrößen eingenommen, die im EU-Vergleich nicht konkurrenzfähig sind (zu klein) -> Marktbereinigung und Flächenkonzentration in größeren Betrieben

 

4.

Produktionseinbruch in der LW infolge der Transformation
 

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Bereits vor dem Umbruch problematische Situation der LW hat sich nach der Wende zu einer Agrarkrise ausgeweitet (Tiefststand während der Hauptreorganisationsphase), mittlerweile langsamer Anstieg in der pflanzlichen Produktion, tierische aber immer noch 1/3 unter 1990

Faktoren:

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hoher Brachflächenanteil in der Hauptphase, da LPGs und Staatsgüter viele Flächen nicht, oder weniger intensiv bewirtschaftet haben
heutige Bewirtschaftung durch Kleinbetriebe -> Rückgang des Ertragsniveaus, weil niedrige Kapitalintensität und Effizienz (insbes. bei Produkten, die durch hö-heren Betriebsmitteleinsatz deutlich gesteigert werden könnten, z.B. Weizen)
Großbetriebe mit niedriger Intensität, v.a. wg. Planungsunsicherheit aufgrund der Pachtlaufzeiten (s.o.) -> Ertragseinbußen
Kosten für Treib- und Schmierstoffe, Futter, Dünger, Pestizide und Maschinen sind i.Vgl. mit den Erzeugerpreisen deutlich stärker angestiegen -> Reduktion des Betriebsmitteleinsatzes und des Mechanisierungsgrades
Auflösung des COMECON -> Rückgang der Nachfrage nach Agrarprodukten
Rückgang der Realeinkommen und Verarmung weiter Bevölkerungskreise -> Einbruch der Binnennachfrage. Verbesserung erst in den letzten Jahren
 

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Insgesamt deutlich höhere Verluste in Land- und Forstwirtschaft als in anderen Sektoren seit den 90ern (fehlende ausländische Direktinvestitionen zur schnellen Restrukturierung)
Rückgang des Primären Sektors im BIP von 8 auf 5% (1991-98), am Export von 10 auf 3% (1990-99). Rückgang der Gesamterwerbstätigen: 22%, LW: 61% (1990-99); => Agrarkrise hat sich besonders in wirtschaftsschwachen Regionen wie Nordungarn zu einer generellen Krise des ländlichen Raumes ausgeweitet

 

EU:
Leistungsstärke hat während der Transformation deutlich abgenommen (s.o.), mittlerweile sukzessive Überführung der nicht überlebensfähigen Kleinbetriebe in die großen Betriebe, die heute bereits vielfach arbeits- und kapitaleffizienter arbeiten als vor der Wende. Im EU-Ländervergleich nehmen diese Betriebe die Spitzenposition unter Größenaspekten ein; zus. mit dem hohen natürl. Ertragspotential kann bei weiterer gesamtwirtschaftlicher Erholung die Konkurrenzfähigkeit höher werden als vor der Transformation

 

 

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