Geomorphologie

   
 

 Glazialmorphologie I

 
   

1.

Glazialerosion
 

1.1
Prozesse
 

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Erosive Leistung des Gletschers: Lockermaterial wird als Grundmoräne in den Gletscher aufgenommen und bearbeitet den Felsuntergrund. Von Bedeutung sind weiterhin Druckschwankungen an der Basis des Gletschers (mit daraus resultierendem Gefrieren und Auftauen) sowie des basalen Wassers.
Detersion: Gletscherschliff; Grundmoräne erzeugt Gletscherschrammen. Produktion von feinkörnigem Gletschermehl -> Schwebfracht (Gletschermilch). Besonders wirksam an der Luvseite von Erhebungen unter dem Gletscher
Detraktion: durch Gefrieren und Wiederauftauen bes. auf der Leeseite von Erhebungen (s.o.) wird Gesteinsmaterial in den Gletscher als Grundmoräne eingebaut.
 
Andere Bezeichnungen/Prozesse:
Abrasion: entspr. Detersion
Plucking: Entfernen von Gestein oder Sediment aus dem Gletscherbett (Exaration = Herauspflügen")
Erosion durch glaziale Schmelzwässer (vgl. Punkt 4.1)
 

1.2
Formen
 

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Rundhöcker: stromlinienförmige Felsbuckel, Luvseite gerundet und abgeflacht, Leeseite kantig; entstanden durch Detersion und Detraktion
Felsbecken: Lokale Unterschiede in der Fliessgeschwindigkeit des Gletschers schürfen Hohlformen aus dem Untergrund heraus ' Felsbeckenssen
Kar: Frostverwitterung wirkt am Bergschrund im hangseitigen Rand eines Kargletschers. Reliefversteilung und Eintiefung des Gletschers lassen sessel- oder halbkesselartige Formen entstehen. Da die Tiefenerosion bei kurzen Kargletschern zum Zungenende hin abnimmt, wird das Karbecken übertieft und mit einer Karschwelle zum Hang hin abgeschlossen.
Grate, Karlinge, Nunatakker: Rückschreitende Erosion schärft einen Gebirgskamm zu einem Grat, einen Gipfel mit mehreren Karen an den Flanken zu einem Karling oder Nunatak.
Trogtäler: v-förmige Flusstäler werden durch Gletschererosion in u-förmige Trogtäler umgewandelt. Oberhalb der Trogschulter (d.h. der Bereich, bis zu dem das Tal vom Gletscher ausgefüllt ist), wird der Hang weiterhin durch Denudationsprozesse geformt. Durch die laterale Ausbreitung des Gletscherbettes werden Seitentäler abgeschnitten, nach Abschmelzen des Eises entstehen dadurch Hängetäler. Postglaziale Akkumulation von Sediment führt zur Bildung von Sohlentrogtälern.
Trogwannen, Felsriegel und Talstufen: Variable Gletschererosion führt zur Übertiefung einzelner Talbereiche (vgl. Felsbecken). Zwischen zwei solchen Trogwannen kann sich ein Felsriegel bilden. Steile Gefällsbrüche im Längsprofil eines Trogtals werden als Talstufen bezeichnet und können eine Folge von Konfluenz, wechselnder Gesteinswiderständigkeit oder Überprägung präglazial angelegter Gefällsstufen sein.
Rinnenseen: Die Erosion durch subglaziale Schmelzwässer führt zur Eintiefung einzelner Wannen.
Gletscherzungenbecken: Ausgeschürfte Hohlformen nahe der ehemaligen Vorstoßgrenze

 

2.

Gletschertransport und glaziale Akkumulation
 

2.1
Transport
 

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Supraglazialer Transport: Material von umgebenden Talhängen, Transport auf der Gletscheroberfläche
Englazialer Transport: Material fällt in tiefgelegene Gletscherspalten, wird entweder im high-level-Transportweg (supraglazialer Ursprung) oder im low-level-Transportweg (Material aus dem Akkumulationsgebiet) befördert
Subglazialer / basaler Transport: Material von der Gletscheruntergrund wird an der Gletscherbasis (BTZ = basale Transportzone) verlagert.
 

2.2
Akkumulationsprozesse
 

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Lodgement: Material aus den basalen Bereichen des Eises wird an den Untergrund "geschmiert" oder "geklebt". Kompakte, massive Sedimente (Grundmoräne). Aktive Akkumulation.
Subglacial melt-out: Sediment eines stagnierenden Gletschers (Ausschmelzmoräne), beim basalen Abschmelzen des Eises sinkt mitgeführtes Material auf den Untergrund. Passive Akkumulation.
Dumping: Ablagerung von supraglazialem Material wird von der Gletscherzunge auf vorgelagertes Stagnant- oder Toteis abgelagert. Passive Akkumulation in Verbindung mit melt-out.
Glazifluviale Akkumulation: s. Punkt 4.2
 

2.3
Akkumulationsformen
 

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Unsortiertes Sediment, alle Korngrößen vorhanden. Glaziale Geschiebe (Grobmaterial), Geschiebelehm (Ton und Schluff), Geschiebemergel (kalkhaltig).
Erratika: vom Gletscher transportiertes Material, das im Ablagerungsgebiet nicht ansteht. Größere erratische Blöcken werden auch als Findlinge bezeichnet.
 

2.3.1
Grundmoräne:

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vom Gletscher erodiertes Material wird an der Gletscherbasis bewegt und schließlich abgelagert.
Im Falle eines Gletscherrückzugs wird die Ablationsmoräne in die Grundmoräne eingegliedert (?)
 

2.3.2
Seiten- / Lateralmoräne

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Material von den Seitenhängen des Gletschers wird supraglazial an den Rändern abgelagert.
Zusammensetzung der Lateralmoräne entspricht dem oberhalb Anstehenden.
Proximalhang steil, instabil; Distalhang flacher, stabil
 

2.3.3
Mittelmoräne:

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Bildung aus zwei Lateralmoränen bei der Konfluenz zweier Gletscher
 

2.3.4
Endmoräne:

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Transversale Akkumulationsform an der vorderen Marginallinie eines Gletschers
Wallartiger Gürtel, talwärts konvex geformt. Unterscheidung zwischen aktiver und inaktiver Endmoräne
Stauchendmoräne: vorrückender Gletscher staucht im Zungenbereich Material an eine bereits vorhandene Endmoräne an. Der Gletscher verfaltet das Material im Inneren des Moränenwalls und schürft ein Zungenbecken aus. Im Querprofil ist der Proximalhang der Endmoräne flacher als der Distalhang.
Dump-Endmoräne: An stationären Gletschern wird das Material als Ablationsmoräne ausgetaut und am Gletscherzungenrand zu einem Wall aufgeschüttet.
 

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Toteislöcher / Sölle: Von der Gletscherzunge abgetrenntes Toteis schmilzt ab und erzeugt in der darüber liegenden Ablationsmoräne eine Hohlform
Drumlins: stromlinienförmige Hügel aus Lockermaterial, asymmetrischer Bau (Luvseite steiler als Leeseite, Grundriss in der Fließrichtung des Eises gestreckt), von Gletschervorstoß überfahrene Grund- und Ablationsmoräne.

 

3.

Glaziofluvialmorphologie
 

3.1
Erosion
 

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Supraglaziale Schmelzwässer verlagern Lockermaterial der Seiten-, Mittel- und Ablationsmoräne in Gletscherspalten und führen sie dadurch dem englazialen Transport zu. Die Schmelzwässer bilden zusammen mit ihrem Sediment sog. Gletschermühlen ("moulins") aus dem Eis heraus, die sich im Untergrund zu sog. "potholes" fortsetzen.
Basale Schmelzwässer (vgl. Punkt 1.1) sowie in den Gletscher eingedrungene Schmelzwässer fließen subglazial ab und erodiert dort durch Reibung (Sediment als Erosionswaffen) und Wärme den Untergrund (Nye channels) bzw. die Gletscherbasis (Röthlisberger channels). Unter der Auflast des Eises entstehender Druck auf dies basalen Schmelzwässer erhöht deren erosive Leistung.
Urstromtäler: Sammelbecken der glazialen Schmelzwässer in Norddeutschland, Verlauf annähernd parallel zum jeweiligen Eisrand
 

3.2
Ablagerung
 

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Ablagerung von supraglazial mitgeführtem Material in Gletscherspalten
Sortierung und Zurundung des Sediments im sub- bzw. englazialen Transport, wenn Gletscherkanäle (s.o.) ausreichende Fließgeschwindigkeit erlaubt.
In proglazialen Seen lagert das Schmelzwasser die Schwebfracht ab. Im Wechsel von dunkleren, organischen Ablagerungen (Winter) und helleren, grobkörnigen Sedimenten (Sommer) bilden sich Bändertone.
 

3.3
Formen
 

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Esker (Oser): sub- bzw. englazial gebildete Schmelzwasserablagerung aus Schottern und Sanden, erscheinen im Relief dammartig. Entstehung durch Akkumulation von supraglazialem Debris in lateralen Gletscherspalten bzw. Schmelzwasserrinnen. Voraussetzung: wenig bewegtes Eis oder Eiszerfall ' Eisrückzugsgebiete der großen Inlandeise. Material sortiert und gerundet.
Kames: isolierte Schuttablagerung unter stagnierendem Gletschereis. Spaltenfüllungen (unsortiert), lokale Schmelzwasserakkumulation (Material sortiert). Steile Hänge.
Sander / Schotterebenen: Zusammenschluss von Schwemmkegeln im Vorland eines Gletschers, die aus Schmelzwässern abgelagert wurden. Ansatz and der Endmoräne (Übergangskegel), Abdachung zum Urstromtal . Abnahme der Korngröße mit zunehmender Entfernung vom Gletscher. Gletschervorstöße und -rückzugsphasen erzeugen neue Sander und dadurch Terrassen in der Schotterfläche (s. Punkt 5)
Trompetentälchen: Ältere Sander werden durch jüngere zerschnitten. Deren Aufschüttungsfläche ist zunächst schmal und verbreitet sich dann trompetenförmig.

 

4.

Die Glaziale Serie
 

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Nach PENCK die naturgesetzliche Abfolge von Georeliefformen im Randbereich und Vorland eines Gletschers im Zusammenspiel von Glazialerosion, - akkumulation und Schmelzwasserdynamik.
Abfolge: Grundmoränenlandschaft mit Zungenbecken(see) - Endmoränenwall - Sander (fluvioglaziale Schotterfläche) - Urstromtal
 
 


  Grafik verändert nach: AHNERT 1996

 

5.

Heutige glazigene Formen in Europa
 

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Fjordküste: Überflutete Trogtäler der pleistozänen Vereisung
Förden- und Boddenküste: Überflutete Grundmoränenlandschaft
Schärenküste: Überflutete Felsriegel
Seenplatten (Mecklenburgische etc.): Abgetaute Toteismassen im Jungmoränengebiet
Urstromtäler in Norddeutschland (Elbe etc.)
Altmoränenlandschaft in Norddeutschland
Jungmoränenlandschaft in Norddeutschland
Schotterflächen und -terrassen in Süddeutschland
Moränenzüge im Alpenvorland
Zungenbeckenseen im Alpenvorland
Trogtäler, Kare, Karlinge in den Alpen
Lokale pleistozäne Vergletscherungen in den Mittelgebirgen (Harz, Schwarzwald)
 





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Literatur (Auswahl):
 

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Ahnert, F. Einführung in die Geomorphologie, Stuttgart 1996
Winkler S.: Kleine Einführung in die Gletscherkunde, Fjærland 1996
Embelton C. & King K.A.M.: Glacial geomorphology, London 1975
Kuhle, M.: Glazialgeomorphologie, Darmstadt 1991
Liedtke H. & Marcinek J.: Physische Geographie Deutschlands, Gotha 1995

 

 

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