Geomorphologie

   
 

 Geomorphologie der Trockengebiete

 
   

1.

Einleitung
 

-
-
-

1/3 des gesamten Festlandes Trockengebiet
Steuerung durch Klima, trotzdem azonaler Landschaftstyp
Wassermangel bedingt Abwesenheit der fluvialen Prozesse, folglich strukturelle Vielfalt durch Paläoformen

 

2.

Abgrenzung
 

-

-

-

-
-

arid " (potentielle) Verdunstung > Niederschlag (aber: Schwierigkeit bei der Messung, viele Einflussvariablen, geringe Vergleichbarkeit
Arten unterteilt nach Ursachen (-> Verbreitung): Regenschattenwüste, Kontinentalwüste, Litorale Wüste, Wendekreiswüste (zonal) durch Ostjet/Passat
Der Wüstenbegriff: Untergliederung der Trockengebiete anhand der Vegetation: Trockensteppen/Savannen, Halbwüsten (Wüstensteppen), Vollwüsten, Extremwüsten
Wüste = erhebliche Zwischenräume zwischen den Pflanzenindividuen
Klimatische Trockengrenze, nach KÖPPEN r > t (Winterregen), r > t +14 (Sommerregen) und r > 7, nach BLÜTHGEN und WEISCHET: Vollarid = 0-1 aride Monate, Semiarid = 2-4 Monate

 

3.

Aktuelle Prozesse
 

3.1
Hydrologische Charakteristika

-


-


-

-

-

Niederschlag gekennzeichnet durch enorme zeitlich-räumliche Variabilität (Zusammenhang mit der Walker-Zirkulation), Intensität durch Konvektion, Lokalität der Ereignisse, Tau- und Nebel (wichtig für Verwitterung)
Oberflächenabfluss schwer messbar, höhere Fluthäufigkeit (durch schlechtere Infiltration und Niederschlag), Wassermenge nimmt flussabwärts ab, Wadis periodisch/episodisch, in Küstennähe intermittierend
Endseen = ephemere Seen (Sebkha, Playa...), Austrocknung oft begünstigt durch Klima/Tektonik, wichtiger Salzlieferant für die Verwitterung
Sickerwasser gering durch Luftkisseneffekt, Bodenwasser mit aufsteigender Tendenz, Wassersäcke erhalten sich unterhalb der Verdunstungsgrenze
Grundwasser häufig fossil, Austritt an (artesischen) Schichtquellen
 

3.2
Verwitterung

-
-


-

-

Wassermangel bedingt Vorherrschen der physikalischen Verwitterung
Für Insolationsverwitterung und Frostsprengung muss zu Temperaturschwankungen auch Feuchte vorhanden sein, wichtigster Prozess Salzverwitterung (Thermische Ausdehnung, Kristallwachstum und Hydratation)
wichtigste Formen Abgrusung, Desquamation, Exfoliation, Kernsprünge, Lock- und Wabenverwitterung, Tafoni, Pilzfelsen...
Biochemische Verwitterung in Form von Lösung/Hydrolyse bzw. Verkarstung (Rillen- und Scheibensteine, Taurillen), Rinden und Wüstenlack als Patina (i.w. Eisen und Manganoxide durch exogene Anreicherung)
 

3.3
Bodenbildung

-

-

-

-

-


-

stark eingeschränkt durch fehlende Vegetation bzw. chemische Verwitterung, oft degradierte Paläoböden
Zonale Böden sind Rohböden (Lithic Leptosol), Regosol und Syrosem, weiter entwickelt zu Yermosol, Aridisol, Windeintrag wichtig für Tonmineral- und Primärmineraleintrag
Zonale Halbwüstenböden: Xerosole, Mollic Aridisol, Cambisol, Luvisol, Steppenböden Kastanozeme
Intrazonale Böden differenziert durch Relief (Gunstlagen): Solontschake, Solonetze, Vertisole
Musterböden mit Spaltennetzen (Verdunstung entlang der Spalten besonders tief), Salzpolygonbildung, Schaumböden mit Vesicularhorizont typisch für Wüstenböden, teils aus angewehtem Material
Krustenbildung: Calcretes über Karbonatgestein oder äolischer Eintrag von Karbonatstaub (Aszendenz oder Deszendenzmodell), selten synsedimentär, verschiedene Stadien der Calcretebildung: Nodulen-Bildung, Exhumierung und Hardpan-Bildung und Spaltenfüllung und Lamellenbildung, Gipskrusten weniger verbreitet, Silcretes möglicherweise in aridem Klima durch Zufuhr von gelöstem SiO2 aus feuchteren Gebieten (Vorzeitformen?)
 

3.4.
Schwerkraftprozesse

-

Steinschlag, Sturzdenudation, Haldenhangbildung (vor allem in ariden Gebieten), Rutschungen und Gleitungen auch ohne Niederschläge, Erdfließen, Muren (Debris-Flows !!)
 

3.5.
Fluviale Prozesse

-

-



-

Am stärksten im semiariden Bereich (noch ausreichend Niederschlag und schon viel Oberflächenabfluss durch schlechte Infiltration)
wichtigster Prozess Spüldenudation (Mikrobereich lineare Rillenerosion, Makrobereich Umlagerung und Denudation), an Hängen Siebspülung, evt. Badland-Bildung bzw. Gullyerosion (meist kein kontinuierlicher Prozess), Schwemmfächerbildung mit Muren etc., insgesamt gewaltiger Sedimenttransport in Suspension
Gliederung der fluvial-morphodynamischen Catena:

-
-
-
-
-

Auf Altflächen Spüldenudation, geringe Eintiefung
Stufenhänge mit Kerbensystemen
Spülflächen mit Akkumulation und Verschwemmung
Im Einzugsbereich von Talsystemen Kerbenerosion und Transport
In Wadis Schwemmfächer, turbulentem Abfluss und linienhafter Erosion
 

3.6.
Äolische Prozesse

-

größte aktuelle Bedeutung für Morphodynamik

Abtragungsprozesse:

-


-

Deflation (Flächenabtrag des Feinmaterials -> Wüstenpflaster wie Hamada, Serir und Reg, Sandtennen; stärkste Deflation bei geringer Bedeckung durch große Steine, außerdem Deflationswannen durch Leewirbel)
Korrasion (wenige Dezimeter über dem Boden; Windstich, Rillen, Yardangs, Windkanter)
 

Akkumulationsprozesse:

-


-


-

Aus Suspension: Schluff und Ton, reliefüberkleidend, Ablagerung wo keine Deflation mehr -> randlich der Trockengebiete (Lössebenen), Staubfall bedeutend für Salzverwitterung, Wüstenlack- und Rindenbildung, Boden- und Krustenbildung
Aus Reptation (Rollen): bis Feinkies, Transport durch Winddruck und Bewegungsimpulse -> Rippeln (bis ca. 1 cm hoch, Kämme senkrecht zum Wind, schnelle Wanderung), Megarippeln (bis 50 cm, teils als Ausblasungsresiduen, stabil)
Aus Saltation (Springen): 0125 - 0125 mm, Sprung (< 1m) durch Zusammenstoss ausgelöst -> Austauschprozesse, schwere Körner bleiben zurück = Sortierung -> Hinweise auf Sedimentationszyklus, auch kleinere Partikel als Aggregate durch Saltation transportiert (Pseudosand), Sandquellen aus nahen (endorheischen) Flusssystemen, Ausblasung aus exorheischer Gewässer bei Niedrigwasser, Endseen, Strände, Zerfall von Sandsteinen
 

Akkumulationsformen:

-


-


An Hindernissen: Vegetation (im Lee von Endpfannen -> Lunettes, Bogendünen, Parabeldünen), Nebkas (wenn Pflanze mitwächst), Leedünen (bei konvergierenden Sandströmen), Luvdünen (Sandrampe, Echodünen), künstliche Dünen
Freie Dünen:

-


-


-



-

-

Barchan als Querdüne: initiale Unebenheit reduziert Sprunghöhe, selbstverstärkende Wirkung, dann Rutschung -> Leehang -> Umwälzung, echte Wanderdüne, Leewirbel verstärkt Wanderung, meist mit Passat- oder Seewinden
Sif als Längsdüne: Depotdüne (~ Leedünen), Kamm (leichtgebogen) parallel zum Wind, bi- oder mehrmodales Windsystem, initiale Bildung durch Barchanwanderung von uni- zu bimodalen Windsystemen
Komplexe Transversaldüne: unimodales Windsystem, aber keine Barchanbedingungen (z.B. Sandüberfluss) -> auflaufende Barchane, Sonderfall: Aklédüne im bimodalen System: Querdünen Kombination aus konkaven und konvexen Teilen (chaotisch) mit saisonaler Überformung
Komplexe Longitudinaldünen: Kombination von mehreren Sifdünen ergibt Silkdüne (wellenförmige Kammlinie), saisonale Oszillation
Größere, komplexere Dünen (Sterndüne, Gitterdüne, Domdüne...) werden als Draa bezeichnet und sind immer Vorzeitformen

 

 

4.

Paläoformen und deren Überprägung
 

-

-

Aktuelle Formung (siehe 3.) sorgt für Mikro- und Mesorelief, Großrelief vererbt (andere Klimabedingungen) -> Klimaschwankung/Tektonik
Trennung von Relieferhaltung und -zerstörung schwierig, weil sich Prozesse graduell ändern (vertikal, horizontal und temporal)
 

4.1.
Talsysteme

-
-

-

i.w. aus spätem Tertiär und Pleistozän vererbt (aber Feuchtzeiten vollhumid)
semiaride Weiterbildung von Talsystemen (Tiefen- und Seitenerosion, Kastentälern bis Talseitenpedimente, Flachmuldentäler)
vollaride, starke Überprägung durch Sedimentation und Sedimentumlagerung (Alluvionen), sekundäre Oberflächenformen bis hin zur Plombierung und Bedeckung durch äolische Sande; Sonderfall der Reliefumkehr bei starker Deflation
 

4.2.
Inselberge

-

-
-

i.w. aus mesozoischen/tertiären Flächenbildungszeiten stammend, herauspräpariert durch "down- bzw. back-wearing"
Kantenrundung bzw. Wollsackbildung in aridem Klima langsam (??)
Aktuelle Tafonibildung, Gnammas als Lösungshohlformen, Abrihohlformen werden weitergebildet (Entstehung durch subkutane Rückverwitterung in semiaridem Klima bei Stillstand der Exhumierung), Formenrundung durch Desquamation und Abblasung, außerdem Makroabschalung
 

4.3.
Schichtstufen

-
-

Anlage im Tertiär, starke Überformung im Pleistozän
Überprägung durch fluviale Kerbenerosion, Rutschungen, Schuttrampen, Patinierung und Windschliff -> gradueller Übergang je nach Aridität, Versandung (Pseudodraa) und Windschliff (Vollarid) im Lee von Dünengebieten
 

4.4.
Hammada

-
-

Steinwüste aus kantigem Felsschutt
In-Situ-Entstehung durch Verwitterung und Ausblasung des Feinmaterials (-> langsame Tieferschaltung), teils reliktische Lösungswannen in Weiterbildung
 

4.5.
Pediment und Glacis

-
-

-

-

-

Übergang von Erosions- zu Akkumulationsbereich
Pediment (dt.) = schuttfreie (Schuttschleier) Felsfußfläche am Fußknick eines Gebirgsvorlandes (® Transport- bzw. Abtragungsfläche)
Glacis (dt.) = geneigte Verebnungen in wenig wiederstandsfähigem Gestein (~ Schwemmfächer, Schuttfächer...)
Becken- oder Gebirgsrandlage, tektonischen (klimatischen?) Impulsen folgend, von BÜDEL als Sukkzessionsflächen von Rumpfflächen gedeutet
Fünf Entstehungsmodelle

-


-


-

"Back-Wearing" durch "Parallel Retreat" (Pediment erwächst aus Glacis), im "Drainage Basin Model" (wie oben zwischen großen Flüssen) und durch "Lateral Planation" (im Mittellauf der Flüsse)
"Down-Wearing" durch "Mantle Controlled Planation" (mit chemischer Verwitterung unter Verwitterungsdecke am Bergfuß) und durch Exhumierung (d.h. Grenzverschiebung zwischen Erosion und Akkumulation)
Ausweitung von Pedimenten -> Pediplain
 

-

Prozesse der Pedimentierung: Hangrückverlegung < flächenhafte Kleingerinne, insgesamt sehr langsame Prozesse, außerdem vielerorts Zerschneidung von Pedimenten -> Altformen mit Weiterbildung über geologische Zeiträume
 

4.6.
Serir

-
-
-
-

Kies- und Sandschwemmebene ohne größere Steine
Allochthoner Alluvialserir (meist reliktisch aus Flusssystemen)
Autochthoner Eluvialserir (Verwitterung von Sandsteinen und Ausblasung, Siebspülung)
Aktuelle Überprägung durch Deflation, Korrasion, Spülrinnen
 

4.7.
Erg

-
-

-


-



-

-

Dünenmeere mit 99% aller äolischen Sande
Lage im Großrelief je nach dominierender Windrichtung (-> Hinderniserg, Konfluenzerg, Stufenfußerg und Beckenerg)
Aufbau: im Kern meist windparallele Draa, teils Sterndünen (Grenzlage zwischen pleistozänen Windsystemen?), randlich Einzeldünen..., Gassen häufig gequert durch Draa und Dünen (-> Gitterdünen), sonst Wüstenböden oder Krusten
Entstehung: (vor allem Draabildung) wird erklärt durch das Modell der gegenläufigen Doppelhelix (Überlagerung von Aufwärtsbewegung der Warmluft und dem in der Reibungsschicht spiralig drehenden Wind -> Deflation an absteigenden Ästen, Akkumulation an aufsteigenden Ästen), sprunghafte Änderung führt zu Transversaldünen
Aktuelle Windgeschwindigkeit zu schwach -> Altform aus Pleistozän mit höheren Temperaturgradienten und Windgeschwindigkeiten
Aktuelle Überprägung durch Dünenbildung sorgt für komplexe Muster der Draa- und Dünenüberlagerung, deutlich sichtbar in Gebieten durch Vegetation fixierter Ergs

 

5.

Anthropogene Aridisierung und Reliefüberformung
 

-

Desertifikation als Indikator für Aridisierung
 
- Flugsandfreisetzung durch wirtschaftliche Tätigkeiten und Verkehr
- Dünenbildung an Gebäuden etc...
- Badlands durch erhöhten Oberflächenabfluss
- Bodenversalzung durch falsche Bewässerung
- Trockenfallen von Seen und Flüssen (® Deflation, Korrasion)
- Lokale Übernutzung durch politische Maßnahmen
- Grundwasserabsenkung durch Brunnen
- Zerstörung der Busch- und Baumvegetation (Brennholz)
- Zerstörung der Grasschicht durch Überweidung
 

 

-> geringe Tragfähigkeit der ariden Ökosysteme, deren Grenzen sich zudem stark verschieben

 

 

Literatur:
 

 

J. SCHULTZ: Ökozonen der Erde,
H. BESLER: Geomorphologie der ariden Gebiete,
D. S. G. THOMAS: Arid Zone Geomorphology,
A. D. ABRAHAMS and A. J. PARSONS: Geomorphology of Desert Environments,
D. BUSCHE: Die Zentrale Sahara
H. WILHELMY: Klimageomorphologie in Stichworten

 

 

zur Themenliste